AUCH BEI HASELMÄUSEN HERRSCHT WOHNUNGSNOT
Bildtext: Sie ist ein Kletterkünstler – die Haselmaus, die übrigens näher mit dem Siebenschläfer verwandet ist als mit der Waldmaus: Naturschützer haben für Haselmäuse sowie für Fledermäuse maßgeschneiderte Kästen als Ersatz für natürliche (Baum-)Höhlen aufgestellt in den Auwäldern zwischen Landshut und der Grenze zum Nachbarlandkreis Freising. Sie hoffen nun, dass möglichst viele der selten gewordenen Kleinsäuger die Kästen im Frühjahr auch als Kinderstube verwenden und Nachwuchs aufziehen.
Auch bei Haselmäusen herrscht Wohnungsnot
Naturschützer packen zusammen an, um Kleinsäugetieren Nist-Möglichkeiten zu bieten
Auch Haselmäuse und Fledermäuse – die einen Kletter-, die anderen Flugkünstler – leiden hierzulande unter Wohnungsmangel: aber nicht, weil sie zu viele von ihnen gäbe, sondern weil der Mensch viele ihrer Lebensräume zerstört und Nahrungsquellen der Kleinsäugetiere versiegen lässt. Unter der Ägide des Landschaftspflege-Verbands (LPV) Landshut stellen sich Naturschützer im Naturschutzgebiet „Vogelfreistätte Mittlere Isar-Stauseen“ dieser Entwicklung entgegen: Sie haben zahlreiche Nistkästen für die beiden selten gewordenen Tierarten aufgehängt.
Der nächste Frühling kommt bestimmt: Wenn Haselmaus und Fledermaus sich den Winterschlaf aus den Augen gerieben haben, sollen sie jedenfalls im Raum Landshut in eine hellere Zukunft blicken können. Naturschützer haben, unter Leitung des Ökologen Fabian Hertrich, im Oktober und November in den Auwäldern links und rechts der Isar westlich von Landshut 40 Nistkästen für Haselmäuse und 30 Kästen für Fledermäuse an geeigneten Stellen installiert.
Ein naher Verwandter der Siebenschläfer
Diese Hilfe, eine Art von sozialem Wohnungsbau-Programm für die beiden Tierarten, haben die beiden kleinen Säuger auch sehr wohl nötig, wie Hertrich deutlich macht, der als Gebietsbetreuer für das Isartal westlich von Landshut bis zur Landkreisgrenze zuständig ist: In der zunehmend ausgeräumten Agrarlandschaft und in monotonen Wäldern herrscht großer Mangel an Wohnraum und Überwinterungs-Quartieren für die beiden Kleinsäugetier-Arten.
Die Haselmaus ballt sich für den Winterschlaf zu einer festen kleinen Kugel zusammen. Dazu muss sie freilich einen geeigneten Platz finden – dichtes Laubstreu am Waldboden, oder noch besser ein frostsicheres Loch in einem Baum. Oder einen Nistkasten, wie sie die Naturschützer im Herbst an geeigneten Stellen beiderseits der Isar angebracht haben in der Hoffnung, dass die maßgeschneiderten Quartiere auch angenommen worden sind.
Der putzige Geselle, der in der Wissenschaft unter dem klangvollen Namen Muscardinus avellanarius firmiert, zählt zoologisch übrigens nicht zu den herkömmlichen Mäusen: Haselmäuse gehören zu den Bilchen, auch Bilchmäuse genannt, und sind näher mit dem Siebenschläfer verwandt als mit der Waldmaus.
Und macht sich in der Dämmerung auf den Weg
Der kleine, bis etwa neun Zentimeter lange Nager lebt in Laub- und Mischwäldern, die noch dichte, artenreiche Sträucher im Unterholz aufweisen und deren Waldränder strukturreich, zum Beispiel mit Hecken und Wildfrüchte tragenden Büschen bewachsen sind. Solche Lebensräume hat der Mensch immer weiter zurückgedrängt. Kein Wunder, dass der Bestand der Haselmaus seit Jahren zurückgeht.
Die Tage verbringen die Tiere in Nestern aus Laub, Gräsern und Moos, die sie geschickt in Kugelform bringen, in Baumhöhlen oder eben in Nistkästen, die der Mensch aufgestellt hat. In der Dämmerung werden die Haselmäuse aktiv und sammeln über Nacht ihre Nahrung: Früchte, Samen, Knospen.
Sie sind phantastische Kletterer, tänzeln mit ihren 15 bis höchstens 40 Gramm Körpergewicht selbst über Blumenstängel und dünnes Geäst – bis hoch hinauf in die Kronen von Sträuchern und Bäumen. Als Balancier-Stange dient den Kletterkünstlern der Schwanz, der fast so lang ist wie der Körper der Tiere.
Wenn sich die kalte Jahreszeit ankündigt, fressen sich die Haselmäuse einen Winterspeck an – vor allem mit fettreichen Baumfrüchten wie Bucheckern und mit Haselnüssen: Von dieser Lieblingsspeise der Nager leitet sich auch ihr Name her. Von November bis in den April legen sie dann Winterschlaf ein:
Scharfer Gegenwind für Langohr und Abendsegler
Stark rückläufig sind auch die Bestände einer Reihe von Fledermaus-Arten wie das Graue Langohr, der Große Abendsegler und die Mops-Fledermaus. In der auf Effizienz getrimmten Kulturlandschaft fehlt es den Flug-Akrobaten und Insektenjägern an Unterschlüpfen wie alten Baumen mit Astlöchern und Höhlen in den Stämmen. Dies schwächt die Fledermaus-Populationen, die ohnehin schwer unter Druck sind durch das Insektensterben, durch das viele ihrer Nahrungsquellen beeinträchtigt werden und oft sogar weitgehend versiegen.
Auch Fledermäuse halten Winterschlaf. Anders als die meisten Winterschläfer rollen sie sich nicht zusammen, sondern hängen sich, den Kopf nach unten, fest an dunklen und feuchten Stellen in natürlichen Höhlen, so wie sie es ja sonst zum Ausruhen und Schlafen tun. Die Naturschützer hoffen, dass möglichst viele Haselmäuse und Fledermäuse das Wohnraum-Angebot annehmen und, nachdem sie sich den Winterschlaf aus den Augen gerieben haben, die Nistkästen auch als Kinderstuben benutzen.
Das umso mehr, als die beiden Arten bei Zoologen dafür bekannt sind, dass sie auf einem Feld spitze sind, das biologisch die Grundlage für den Erfolg der Säugetiere und damit letztlich auch des Menschen gebildet hat: Haselmäuse und Fledermäuse sind großartige Eltern, sie zeichnen sich durch hingebungsvolle Brutpflege aus.
Haselmaus-Mütter polstern die Kinderstuben der Jungmäuse liebevoll aus mit Moosen und Pflanzenflaumhaaren. Und Fledermaus-Mütter lassen noch kleine und hilflose Jungen nicht allein zurück in ungeschützten Nisthöhlen. Die Jungtiere halten sich mit ihren Milchzähnen im Brustfell der Mütter fest – und schon geht’s auf zu Flügen durch die Nacht.
INFO:
Für die Nistkästen-Aktion unter der Federführung des Gebietsbetreuers Fabian Hertrich, der für Stadt und Landkreis Landshut arbeitet, haben verschiedene Institutionen zusammengearbeitet, insbesondere der Landschaftspflege-Verband Landshut e. V., die Unteren Naturschutzbehörden der Stadt und des Landkreises Landshut, die Bayerischen Staatsforsten und die Stadtwerke München. Finanziert wurde das Projekt aus Fördermitteln der Regierung von Niederbayern.
Foto: Landkreis Landshut