„ICH BIN DER MIT DEM HUND UND HABE ANGST, OBDACHLOS ZU WERDEN“
Bildtext: Foto zeigt das Haus Nr. 4 (links) in der Breslauerstraße wo Herr XY derzeit noch wohnen darf. Beide Häuser werden 2020 abgerissen.
„Ich bin der mit dem Hund und habe Angst, obdachlos zu werden”
„Nun wird im Zuge von Neubauten das Haus in dem ich wohne abgerissen und ich und mein Hund haben keine Wohnung mehr.“ Ein Landshuter Bürger beschreibt seinen Status als „vogelfrei wie im Mittelalter“, der jederzeit in eine andere Unterkunft eingewiesen werden kann.
Viele Menschen haben sich beim Jahreswechsel ein gutes Neues Jahr gewünscht und sich vorgenommen, sich selbst im Jahre 2020 viele Wünsche zu erfüllen. Es wird aber auch Menschen geben, die nur einen Wunsch haben, ihre Wohnung nicht zu verlieren. Nach Angaben der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAGW) steht etwa 650.000 Menschen bundesweit keine Wohnung zur Verfügung. Die Zahl beruht auf Schätzungen. Als Hauptgründe sind neben einer “Verfestigung von Armut” das unzureichende Angebot an bezahlbarem Wohnraum und Sozialwohnungen. “Benötigt werden pro Jahr 80.000 bis 100.000 neue Sozialwohnungen und weitere 100.000 bezahlbare Wohnungen.“
Durch Zufall kam ich vergangene Woche ins Gespräch mit einem Herr XY. (Name und Anschrift sind dem Autor bekannt) der mir anhand von Dokumenten darstellte, wie seine derzeitige Lage sei. Er wird seit vielen Jahren seitens des Stadt Landshut als Obdachloser geführt, obwohl er genug Rente erhält um eine Wohnung zu bezahlen. Sein Status – er vergleicht es mit „Vogelfrei“ im Mittelalter – ermöglicht es, ihn jederzeit in eine andere Unterkunft einzuweisen.
Zu dem Gespräch mit Herrn XY hatte ein Landshuter Stadtrat und Fraktionsvorsitzender eingeladen. Dieser hatte beruflich mit dem Schicksal Obdachloser zu tun und setzt sich seit Jahren für deren Belange ein.
Das Schicksal spielte Herrn XY nicht gerade in die Karten. Am 29.01.1950 wurde er geboren, besuchte die Hauptschule St. Martin und verlor mit zehn Jahren seinen Vater. XY absolvierte eine Lehre als Einzelhandelskaufmann und war von 1968 bis 1980 als Baukaufmann bei der Fa. SAG (Hochspannungsbau) bundesweit tätig. Man übertrug ihm die Bauleitung der jeweiligen Baustellen. 1975 wurde XY Vater eines Sohnes. Im Jahre 1981 erleidet er eine schwere Krankheit (offene TBC), die er nach neun monatigem Aufenthalt im Schwarzwald auskurierte. Nach dem Tod seiner Mutter, die dem Alkohol sehr zugetan war, heiratete er, damit seine zehn und vierzehnjährigen Geschwister nicht in ein Heim eingewiesen werden mussten, er nahm sie bei sich und seiner Frau auf. Leider war der Ehe kein Glück beschieden und so trennte er sich von seiner Frau im Jahre 1981, die ihm den Sohn aus dieser Ehe vor die Türe stellte und einfach weg war. Das Sorgerecht für den Sohn wurde XY zugesprochen. Auf Grund dieser Vorgänge konnte XY seinen Beruf nicht problemlos ausführen, so dass ihn seine Firma, die SAG, ausstellte, obwohl er arbeitete wie ein Besessener, wie er sagte und sich 178 Tage Resturlaub erarbeitete.
XY fand noch im Jahre 1981 eine Anstellung beim Landshuter Wochenblatt, war dort Pressefotograf und in der Bildbearbeitung beschäftigt. Durch Besitzerwechsel beim Wochenblatt verlor er im Jahre 1998 wiederum seinen Job und arbeitete nun freiberuflich in diesem Metier.
Im Jahre 2000 traf XY das Schicksal besonders hart, er erlitt einen schweren Herzinfarkt und konnte nur bedingt weiter arbeiten. 2010 war dann der absolute Tiefpunkt erreicht, denn es traten ständig extreme Herzprobleme auf, so dass er seine Arbeit ganz aufgeben musste. Wegen hoher Mietrückstände wurde ihm seine Wohnung gekündigt und er wurde in die Breslauer Straße Nr. 4 eingewiesen.
Wegen wiederholter Herzattacken wurde XY ein Defibrillator implantiert und seine Herzleistung war von ärztlicher Seite als nur mehr 30 Prozent ausgewiesen. Die Schwerbehinderung beläuft sich auf 80 Prozent (Erhöhungsantrag ist auf 100 Prozent gestellt wegen COPD und Lungenemphysem), darum ist der ständige Gebrauch eines Sauerstoffgerätes unverzichtbar. Im Jahre 2016 wurde XY ein zweiter Defibrillator eingesetzt, da durch häufiges Einsetzen des Gerätes die Batterie erschöpft war.
Dank dieses Defibrillators hat XY auf offener Straße zweimal eine Herzattacke überlebt.
Diverse Versuche um einen neuen Mietvertrag zu erlangen
Seit neun Jahren, als er als Obdachloser in die Breslauerstraße Nr. 4 eingewiesen war, versucht nun Herr XY einen ordentlichen Mietvertrag zu erhalten, der ihm von Seiten der Stadt Landshut wiederholt versprochen wurde, leider bis heute vergeblich.
Das Versprechen von den sozialen Fachstellen der Stadt, dass Herr XY auf Grund seiner Krankheit in der Wohnung des Hauses Breslauerstraße 4 bleiben kann, ist nun durch den Abriss des Hauses im Zuge der Neubauten in dieser Straße, nicht mehr aufrecht zu erhalten. Ein eindringlicher und verzweifelter Appell vonseiten dieses betroffenen Landshuter Bürgers an Oberbürgermeister Putz ihm irgendwie zu helfen, wurde von den Stellen der sozialen Einrichtungen der Stadt Landshut wie folgt beschrieben: „Sehr geehrter Herr XY, Sie sind zur Vermeidung von Obdachlosigkeit seit dem 29.08.2012 in die Breslauerstraße 4 eingewiesen. Wie Sie in den letzten Monaten bereits erfahren haben, werden ihre Wohngebäude zugunsten einer neuen Wohnanlage abgerissen. Der Bau der neuen Gebäude ist bereits im vollen Gange, so dass im Laufe des kommenden Jahres 2020 mit dem Abriss ihrer derzeitigen Unterkunft begonnen wird. Dementsprechend möchten wir Sie auf ihre anstehende Versetzung in eine andere Notunterkunft im Stadtgebiet Landshut im Jahre 2020 hinweisen.
Die neue Wohnanlage in der Breslauerstraße (hier auf dem Bild) ist derzeit nicht als Obdachlosenunterkunft vorgesehen. Das bedeutet, eine Umsetzung dorthin ist voraussichtlich nicht möglich. Sie werden von uns rechtzeitig darüber informiert, in welche Notunterkunft im Stadtgebiet Landshut Sie versetzt werden. Bei Fragen können Sie sich an die Fachstelle Obdachlosigkeit wenden.“
K o m m e n t a r: Es ist kein Wunder, dass ein Landshuter Bürger, der unverschuldet kein leichtes Leben hatte, der kein Kiffer oder Alki war, wie er es beschrieb, und der von schrecklicher Krankheit gezeichnet sein Leben fristet, sauer auf seine so geliebte Stadt Landshut ist. Er bezeichnet sich inzwischen als Bürger zweiter Klasse, der kein Recht auf eine Wohnung hat, so wie man mit ihm umgeht. Seinen geliebten behinderten Hund müsse er ins Tierheim geben und daran zu denken seinen Hund einzuschläfern, macht ihn noch mehr krank, wie er eh schon ist. Ob er der Einzige ist, der so behandelt wird in der Stadt Landshut? Wer will es glauben!
Text und Fotos: h.j.lodermeier