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AUF GESCHICHTSTRÄCHTIGEM BODEN – HERAUSRAGENDE FUNDE BEI AUSGRABUNGEN

Luftbild: Luftbild der Grabungsfläche während der Baggerarbeiten im Juli 2019. Bagger und Lastwägen stehen gerade an der Stelle, an der sich später der Friedhof der Jungsteinzeit fand. Im Hintergrund der Ort Essenbach.

 

Auf geschichtsträchtigem Boden

Archäologische Ausgrabungen am Gelände des neuen Landratsamtes bringen
herausragende Funde zu Tage

 

Damit nach der Planungsphase für das neue Landratsamt in Essenbach auch bald die Bagger und Kräne anrollen können, hat die Kreisarchäologie Landshut bereits im vergangenen Jahr erste bauvorgreifende archäologische Ausgrabungen durchgeführt. Dabei zeigte sich, dass das Areal des Neubaus bereits vor mehr als 3.000 Jahren besiedelt war. Direkt neben der Musikschule stießen die Archäologen zudem überraschend auf einen mehr als 4.200 Jahre alten Friedhof aus der Jungsteinzeit.

Siedlungsgünstig. Dieses Wort beschreibt das Gebiet des heutigen Marktes Essenbach aus archäologischer Sicht. Seitdem der Mensch in unseren Breitengraden Landwirtschaft betreibt, also seit rund 7.500 Jahren, ist die Gegend um Essenbach bereits dicht bewohnt. „Grund für diese Siedlungsbewegungen ist die Ablagerung fruchtbarer Böden in Form einer Hochterrasse der Isar von Bruckberg bis Essenbach. Noch heute prägt diese Terrasse sichtbar die Landschaft. Durch diese fruchtbare Lage finden sich im Bereich des Marktes Essenbach zahlreiche archäologische Fundstellen“, erklärt der Kreisarchäologe Dr. Thomas Richter und verweist auf Beispiele wie den namensgebenden Fundort der Altheimer Kultur, mehrere römische Landgüter, Friedhöfe der Kelten und Bajuwaren und vieles mehr.

Da auch im Umfeld der der Baufläche des neuen Landratsamtes zahlreiche archäologische Fundstellen bekannt sind, waren von Beginn der Planungen an archäologische Ausgrabungen vorgesehen. In Zusammenarbeit mit allen an der Planung des Baus beteiligten Stellen wurde daraufhin ein Konzept erstellt, um alle Bodendenkmäler noch während der Planungsphase des Neubaus freizulegen. Mit Abschluss der Planungsphase ist auch das Ende der archäologischen Ausgrabungen vorgesehen, um pünktlich mit dem Bau beginnen zu können.

Der erste Teil der weitläufigen Fläche wurde im vergangenen Jahr, von Anfang Juli bis Mitte Oktober, archäologisch untersucht. Innerhalb von 56 Arbeitstagen wurde auf einer Fläche von rund 20.000 m² gegraben und freigelegt. Und die Kreisarchäologen sind fündig geworden: Wo einmal das neue Landratsamt stehen soll, fanden sich Siedlungsspuren der späten Bronzezeit (ca. 1.300- 800 v. Chr.), der frühen Eisenzeit (ca. 800- 475 v. Chr.) und ein kleiner Friedhof der ausgehenden Jungsteinzeit (2.600- 2.200 v. Chr.). Das restliche Areal ist etwa gleich groß und wird 2020 unter die Lupe genommen.

Die nahezu über die gesamte Grabungsfläche verteilten Siedlungsspuren der späten Bronze- und frühen Eisenzeit zeigen deutlich, dass das Grundstück des zukünftigen Landratsamtes zu dieser Zeit mit mehreren Höfen besiedelt war. Neben den Resten der ehemaligen Häuser, deren Funktionsgebäuden und auch eines Brunnens fanden sich am Rand der Grabungsfläche, entlang der Straße nach Altheim zwei Abfallgruben deren Inhalt Rätsel aufgibt. In ihnen lagen kiloweise Keramikscherben. „Die Keramik war so dicht in die Grube gepackt, dass sich dazwischen kaum Erde befand. Teilweise handelte es sich um einst vollständige Gefäße, die erst in der Grube zerbrachen, teilweise um die Einzelteile bereits zerbrochener Gefäße. Alle Scherben haben aber gemeinsam, dass die Keramik kurz vor oder kurz nach ihrer Ablagerung in der Grube einem Feuer ausgesetzt gewesen sein muss“, erklärt Kreisarchäologe Richter.

Auch der bisher schönste Fund der Grabung des vergangenen Jahres, eine vollständig erhaltene sogenannte Vasenkopfnadel stammt aus einer dieser Gruben. Vasenkopfnadeln waren in der Zeit zwischen 1.300 und 1.000 v. Chr. im Süddeutschen, Österreichischen und Schweizer Raum in Mode. Sie dienten zum Verschließen von Überhängen und Kleidern. Die Nadel war, wie auch die Keramik, bevor sie in der Grube entsorgt wurde, dem Feuer ausgesetzt.

Während sich das Alter der Gruben durch Verzierungen der Keramik und die Nadel sehr gut bestimmen lässt, ist unklar, warum Keramik und Nadel verbrannt und anschließend in der Grube entsorgt wurden. Vergleiche mit ähnlichen Befunden aus anderen Ausgrabungen legen zwei Erklärungsansätze nahe: Bei der Keramik könnte es sich um Reste eines Geschirrsatzes handeln, der im Rahmen eines rituellen Festes genutzt wurde. Derartige Geschirrsätze wurden anschließend oft zerstört, damit sie nicht mehr verwendet werden konnten. Wie aber die Gewandnadel mit dieser Erklärung in Zusammenhang zu bringen ist, das muss noch untersucht werden. Eine weitere mögliche Erklärung ist, dass in den Gruben der zerstörte Hausstand eines oder mehrerer abgebrannter Häuser entsorgt wurde.

Rätselhaft ist auch die Kultur, aus der der kleine Friedhof neben der Musikschule stammt. Die Archäologen nennen sie Glockenbecherkultur (2.600- 2.200 v. Chr.). Sie tritt am Ende der Jungsteinzeit schlagartig in ganz West und Mitteleuropa in Erscheinung. „Wir kennen Gräber dieser Kultur von der portugiesischen Atlantikküste bis nach Ungarn und von Schottland bis Sizilien. Durch schnelle Ausbreitung über Europa ist es unwahrscheinlich, dass sie sich durch die Wanderung Menschengruppe so verbreitet hat“, erklärt Richter. Vielmehr geht die Archäologie heute davon aus, dass es sich um eine neue Religion oder Ideologie handelte, die sich in Windeseile über Europa verbreitete.

Für diese Annahme spricht auch die Tatsache, dass die Toten in einem strengen Ritus beigesetzt wurden. Sie liegen stets in Embryonalstellung, als sogenannte Hocker, im Grab. Dabei bettete man die Frauen auf die rechte Körperseite, mit ihrem Kopf Richtung Süden, die Männer genau anders herum: auf die linke Seite, mit ihrem Kopf Richtung Norden. Häufig finden sich bei den Toten Keramikgefäße in Form einer Glocke, die der Kultur ihren Namen gaben. Während einzeln liegende Gräber der Glockenbecherkultur immer wieder auftauchen, sind ganze Friedhöfe in Niederbayern bisher erst ein paar Mal entdeckt worden. Der Essenbacher Friedhof bestand aus sechs Gräbern. Beigaben fanden sich, mit Ausnahme einer Haarnadel aus Tierknochen, nicht. „Da bisher kaum Siedlungen aus dieser Zeit bekannt sind, wissen wir nicht, wie die Dörfer der Menschen der Glockenbecherkultur ausgesehen haben. Auch in Essenbach fand sich bisher nur der Friedhof. Ob die zugehörige Siedlung an den Friedhof angrenzte, werden die Grabungen in diesem Jahr zeigen“, erklärte der Kreisarchäologe.

 

Abbildungen (Quelle jeweils: Landratsamt Landshut, Kreisarchäologie):

 

 

Arbeitsfoto: Impressionen der archäologischen Ausgrabung in Essenbach 2019

 

Bestattung – Glockenbecherkultur: Ein Grab des Friedhofes der Glockenbecherkultur während der Ausgrabung.

 

Freilegung Brunnen: Ausgrabung des Brunnens der frühen Eisenzeit.

 

 

Vasenkopfnadel: Foto der Vasenkopfnadel im noch unrestaurierten Zustand kurz nach ihrer Auffindung. Die Nadel befindet sich aktuell in der Restaurierung.

 

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